Kinderbuch des Monats: Mitternacht in Charlbury House

© Thienemann

Während ihre Mutter in den Flitterwochen ist, muss Evi bei ihrer Patentante in Charlbury House bleiben. In dem alten Herrenhaus gehen unheimliche Dinge vor sich und als Evi nachts einen Geist vor dem Fenster sieht, rennt sie panisch aus dem Zimmer und landet im Jahr 1814. Fortan muss sie als Dienstmädchen arbeiten und kann nur in die Gegenwart zurückkehren, wenn sie ein dunkles Familiengeheimnis entschlüsselt…

Ein Monatshighlight, weil …

Mitternacht in Charlbury House ist eine spannende Reise in vergangene Zeiten. Evi muss den harten Arbeitsalltag eines Dienstmädchens im 19. Jahrhundert bewältigen und lernt dabei einiges über Klassenunterschiede und soziale Ungerechtigkeit.

Helen Peters bildhafter und einnehmender Schreibstil lässt den Zauber vergangener Zeiten aufleben und Charlbury House in herrschaftlichem Glanz erstrahlen. Die Figuren sind liebevoll gestaltet, interessant und lebensnah. Evi ist eine sympathische Protagonistin, die sich wunderbar entwickelt. Sie fühlt sich von ihrer Mutter vernachlässigt und ist eifersüchtig auf ihren Stiefvater, doch schon nach kurzer Zeit in Charlbury House legt sie ihre kindliche Egozentrik ab, knüpft Freundschaften und setzt sich für andere ein. Tapfer stellt sie sich den neuen Aufgaben und erledigt die körperlich anstrengenden Arbeiten so gut wie möglich. Dabei lernt sie die Annehmlichkeiten des 21. Jahrhunderts und ihren freien Zugang zur Bildung erst richtig zu schätzen, denn in der Vergangenheit war es nicht selbstverständlich, dass jedes Kind Lesen und Schreiben lernen kann.

Ein spannender und lehrreicher Abenteuerroman ab 10 Jahren, mitreißend erzählt, lebensnah und unterhaltsam. Ein großartiges Leseerlebnis mit wunderbaren Figuren, viel Gefühl und dramatischen Momenten, das von Anfang bis Ende fesselt..

Mitternacht in Charlbury House ist ein Kinderbuch von Helen Peters, übersetzt von Dr. Cornelia Panzcchi und illustriert von Verena Körting, 2020 erschienen im Thienemann Verlag.
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Kinderbuch des Monats: Solange wir zusammen sind

© Thienemann

Seit Piper mit ihrer Familie in eine Notunterkunft ziehen musste, ist für sie nichts mehr, wie es war. Ein Lichtblick ist der kleine Straßenhund Baby, behutsam freundet sie sich mit ihm und seiner Besitzerin Jewel, einer Obdachlosen, an. Als Piper erfährt, dass man die beiden trennen will, setzt sie alles daran, ihnen zu helfen….

Ein Monatshighlight, weil …

Solange wir zusammen sind ist eine Geschichte, die mitten ins Herz trifft. Einfühlsam erzählt Bobbie Pyron vom Leben am Rande der Gesellschaft, von Tierliebe und Freundschaft und zeigt, wie wichtig es ist, auch in schwierigen Situationen nicht die Hoffnung zu verlieren. Piper und ihre Familie arrangieren sich so gut es geht mit dem ungewohnten Leben in der Famileinunterkunft. Sie sind dankbar, dass sie eine Bleibe und Verpflegung haben und versuchen ihrem alten Leben nicht nachzutrauern. Piper vermisst ihre Freunde, doch als sie sich den Pfadfinderinnen anschließen kann und wieder zur Schule geht, fasst sie neuen Mut. Liebevoll kümmert sie sich um den kleinen Straßenhund und vergisst dabei ihre eigenen Sorgen.

Ein berührender Roman ab 10 Jahren, emotional, lebensnah und nachdenklich. Die Geschichte ist wunderschön und bedrückend zugleich, denn sie zeigt einerseits wie schnell man in eine Notlage geraten kann und von der Gesellschaft abgestempelt wird und wie kraftspendend andererseits Familie, Freunde und Tiere sind. Pipers Engagement, der Zusammenhalt der Obdachlosen und Babys bedingungslose Liebe sind herzerwärmend und machen dieses Buch zu einem ganz besonderen Leseerlebnis.

Solange wir zusammen sind ist ein Kinderbuch von Bobbie Pyron, übersetzt von Bettina Obrecht und illustriert von Karin Lindermann, 2020 erschienen im Thienemann Verlag.
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Fantastische Zugreise: Der Welten-Express von Anca Sturm

Liebe Lesefeen,

habt Ihr einmal bemerkt, wie lehrreich Zugreisen sind? Neben dem einzigartigen Verständnis der Bahn von Zeit und Raum, lernt man viel über Land und Leute, denn eine Person unterhält sich immer lautstark über das Tagesgeschehen, den Gesundheitszustand oder das Wetter. Bei den jungen Passagieren des Welten-Express stehen allerdings spannendere Themen auf dem Lehrplan:
Seit ihr älterer Bruder vor zwei Jahren verschwand, sitzt Flinn Nachtigall Abend für Abend am stillgelegten Bahnhof von Weidenborstel und betrachtet die Postkarte mit seiner letzten Nachricht. Bis jener Zug am Bahnhof hält, der auf der Postkarte abgebildet ist. Ohne lange Überlegung steigt Flinn in den Zug und macht sich auf die Suche nach Jonte…

Anca Sturm erzählt eine fantasievolle und spannende Geschichte über einen magischen Zug und ein Mädchen, das auf der Suche nach ihrem Bruder nicht nur neue Freunde findet, sondern auch viel über sich lernt. Flinn ist eine sympathische Protagonistin, deren Gedanken anfangs ausschließlich um ihren Bruder kreisen, so dass sie ihre neuen Freunde gar nicht zu schätzen weiß. Doch je mehr Zeit Flinn im Welten-Express verbringt, desto mehr fühlt sie sich zugehörig und ist dankbar für die Hilfe ihrer Freunde.
Die Figuren sind gut ausgearbeitet, haben Ecken und Kanten und mehr oder weniger liebenswerte Eigenheiten, so dass es an Bord schon einmal zu Streit und Missgunst kommt, insgesamt vermittelt die Geschichte aber positive Werte.
Der detailreiche und bildhafte Schreibstil lässt die Welt an Bord lebendig werden und die Idee hinter dem fahrenden Internat für außergewöhnliche Kinder ist wunderbar. Wobei die magischen Technologien besonders faszinierend sind, hier beweist Anca Sturm Fantasie und Originalität, denn im Zug gibt es viel zu entdecken, da gerät die Suche nach Jonte schon einmal ins Hintertreffen.

Fazit: Eine abenteuerliche und fantasievolle Geschichte über Familie, Freundschaft, erste Liebe und die spannende Reise in einem magischen Zug.

© Carlsen Verlag
Der Welten-Express ist ein Kinderbuch ab 10 Jahren von Anca Sturm, illustriert von Bente Schlick und 2018 im Carlsen Verlag erschienen.
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