Rezension: Das Paar aus Haus Nr. 9 von Felicity Everett

Sara und Neil führen mit ihren beiden Söhnen ein beschauliches Leben bis Gavin und Lou mit ihren drei Kindern in das Haus nebenan einziehen. Das Künstlerpaar hat längere Zeit in Spanien gewohnt und besonders Sara ist fasziniert von deren Chic und Weltgewandtheit. Sie bemüht sich um Lous Freundschaft und je enger das Verhältnis zu den Nachbarn wird, desto unzufriedener ist Sara mit ihrem eigenen Leben. Dabei merkt sie gar nicht, wie sehr sie von Lou vereinnahmt wird und sich immer mehr von Freunden und Bekannten distanziert…

Doch was sie an ihrer Freundschaft besonders bereichernd fand, war nicht die intellektuelle Seite, sondern die emotionale. Nach überraschend kurzer Zeit hatte Sara ihrer Freundin Dinge gebeichtet, die sie noch niemandem erzählt hatte, nicht einmal Neil.

Buchgedanken:

Felicity Everett hat einen packenden Roman über Freundschaft und Lebensentwürfe geschrieben, schonungslos ehrlich seziert sie das Leben ihrer Protagonistin und zeigt, wie schnell aus einer Freundschaft eine ungesunde Verbindung entstehen kann. Der Roman besticht durch glaubwürdige Figuren, ein realistisches Geschehen und eine düstere Atmosphäre. Die Neugierde und Faszination von Sara sind nachvollziehbar, ebenso ihre zunehmende Frustration in Bezug auf das eigene Leben. Dabei ist dem Leser schon früh klar, dass diese recht einseitige Freundschaft auf Dauer nicht gutgehen kann und so verfolgt man gebannt, wie Sara sich zunehmend in Selbstzweifeln verliert, sich nicht mehr abgrenzen kann und die Freundschaft erste Risse bekommt.

Ein Roman, der seine Spannung aus der genauen Beobachtung des Beziehungsgeflechts und der Charakterentwicklung gewinnt und zeigt, wie tief der Wunsch nach Anerkennung in einem verwurzelt ist und wie allgegenwärtig das Bestreben ist, aus der Masse hervorzustechen.

© Harper Collins
Das Paar aus Haus Nr. 9 ist ein Roman von Felicity Everett, übersetzt von Olaf Knechten und 2018 bei Harper Collins erschienen.
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Seitenblätter-Samstag: Fundstücke

Liebe Bücherfreunde,

heute blättere ich in Büchern, die schon etwas länger auf meinem SuB liegen und bei denen ich mir unschlüssig bin, ob ich sie überhaupt noch lesen mag…

Rowan Coleman: Wolken wegschieben

Inhalt: Manchmal hat Willow Briar das Gefühl, unter einer dicken Regenwolke zu leben. Sie könnte es darauf schieben, dass sie ein paar Pfunde zu viel auf die Waage bringt. Oder dass sie verlernt hat zu lieben. Oder dass ihre skrupellose Chefin sie als ihre Leibeigene betrachtet. Doch der eigentliche Grund für ihre Unzufriedenheit liegt tief in ihrer Vergangenheit. Willow weiß: Sie muss etwas ändern und ihre Dämonen besiegen. Denn nur Verlierer stehen im Regen – aber wahre Gewinner schieben die Wolken einfach weg.
© Piper Verlag

Definitiv ein Cover-Kauf, außerdem war ich nach Einfach unvergesslich und Zwanzig Zeilen Liebe gespannt auf den neuen Roman von Rowan Coleman, allerdings fürchte ich, dass mir die Geschichte vielleicht zu seicht und klischeehaft ist, daher liegt das Buch wie Blei in meinem Regal…

Willow war kein großer Fan von Freitagen. Jeder Freitag war das Ende einer Woche, das Ende einer sinnvollen Tätigkeit, für die es sich lohnte, morgens aufzustehen, sich anzuziehen und mit Leuten zu reden.

Antonia Michaelis: Friedhofskind

Inhalt: Siri verbringt einen Sommer in einem kleinen Küstendorf, in dem vor dreißig Jahren unter mysteriösen Umständen ein Kind ertrank. Die Bewohner des Dorfes reden nicht gern darüber – genauso wenig wie über den Totengräber, der angeblich mit den Seelen der Verstorbenen spricht. Oder darüber, dass man sich gut mir ihm stellen sollte, wenn man die Toten nicht gegen sich aufhetzen will. Siri drängt tief in die dunklen Geheimnisse des Dorfes ein. Und stößt dabei auf das Unfassbare…
© Emons Verlag

Mysteriöse Geschehnisse in einem kleinen Fischerdorf, das könnten spannende Lesestunde werden, aber bei fast 500 Seiten ist da der Zweifel, ob die Geschichte nicht zwischendurch abschweift…

Lenz hörte nicht, was die Fensterfrau antwortete, die Motoren verschluckten jedes weitere Wort. Und als sie verstummten, als die Fischerboote am Steg anlegten, zupfte jemand ihn am Hemd. Hinter ihm im Schilf stand Iris. Der Morast reichte ihr bis zu den Knien.

Thomas Finn: Schwarze Tränen

Inhalt: Im »Gasthaus zum Löwen« in Staufen findet Lukas Faust, Nachfahre des berühmten Doktor Faust, ein mittelalterliches Zauberbuch. Als er einen kostbaren Diamanten aus dem Einband herausbricht, geht auf einmal ein Froschregen über der Stadt nieder, und die Jagd auf ihn wird eröffnet. Erst der schwarze Pudel Mephistopheles, der sich als Teufel persönlich entpuppt, rettet ihn. Mephisto erklärt ihm, dass in der Hölle ein Machtkampf tobt. Wer die drei Teufelstränen besitzt, von denen Lukas’ Diamant eine ist, vermag die Apokalypse heraufzubeschwören. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, denn die zwei müssen die übrigen Tränen vor ihren Verfolgern finden.
© Knaur Verlag

Klingt nach einem teuflich guten Buch, zudem hat mir Mordstrand gut gefallen, daher werde ich das Buch wohl auf den WTR-Stapel packen.

Das unheimliche Geläut wurde immer tiefer und beängstigender. Ohne mitgezählt zu haben, wusste Lukas, dass sie inzwischen zum zehnten Mal geschlagen hatte. Seine Verfolger brüllten, Abrupt wechselte Lukas die Richtung, und obwohl ihm Sylvias Anweisung vollkommen irrwitzig vorkam, stürmte er auf eine der Wohnungstüren zu. Er erreichte sie mit dem dreizehnten Glockenschlag, wiss sie auf – und stolperte kopfüber in die Finsterniss.

Kennt Ihr die Bücher? Welches muss ich unbedingt lesen? Lasst es mich gerne wissen…

Ein schönes Wochenende

♥ Mila

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Moderne Märchen: Ein wilder Schwan von Michael Cunningham

Liebe Buchfeen,

ich bin mit Märchen aufgewachsen, kenne die meisten in- und auswendig, habe mich von den Geschichten verzaubern lassen und sie nie wirklich hinterfragt. Wieso baut eine Hexe im tiefsten Wald ein Haus aus Pfefferkuchen? Warum tauscht man eine Kuh gegen angebliche Zauberbohnen? Und kann man die lehrreichen Geschichten auf die heutige Zeit übertragen? Hätte Schneewittchen heutzutage einen Putzzwang, weil die Zwerge im Bergbau arbeiten und den ganzen Dreck mit nach Hause bringen? Wenn Rumpelstilzchen das erstgeborene Kind von der Königin verlangt, schreitet dann das Jugendamt ein?

Antworten auf ähnliche Fragen erhält der Leser in Ein wilder Schwan, denn Michael Cunningham erzählt die alten Märchen neu, betrachtet sie aus einem anderen Blickwinkel, hinterfragt sie mit Witz und denkt die Geschichten weiter. Seine Neuinterpretationen sind unterhaltsam, intelligent, düster und zuweilen bizarr und derb.

Virtuos entzaubert Cunningham die altbekannten Geschichten und offenbart ihre Schattenseiten, die Einsamkeit, die Verzweiflung oder schlichtweg die Dummheit, von der die Figur angetrieben wird. Moderne Märchen, die zeigen, dass sich das Gute allein nur schwer ertragen lässt und vollkommenes Glück sofortige Zweifel hervorruft, denn das Leben beruht auf Gegensätzen und ohne Licht gibt es keine Schatten.

Elf hintersinnige Geschichten für Erwachsene – abgründig, böse und klug, wunderbar passend illustriert von Yuko Shimizu.

© Luchterhand
Ein wilder Schwan ist eine Märchen-Sammlung von Michael Cunningham, übersetzt von Eva Bonné und 2017 im Luchterhand Literaturverlag erschienen.
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